Reformplan fürs Pflegegesetz wenig ambitioniert

Beitrag Norbert Krammer/VertretungsNetz

© Norbert Krammer

Die Salzburger Sozialpolitik ist der Bevölkerung seit Jahren im Wort und kündigte wiederholt eine Reform des Salzburger Pflegegesetzes an. Im Advent 2024 war es dann endlich soweit und ein Begutachtungsentwurf wurde vorgelegt. Die Änderung blieb im Bereich einiger kosmetischen Anpassungen und legistischer Präzisierung – die bestehende Struktur ließ man unangetastet.

Umfassender Wirkungsbereich

Die Begutachtungsphase ist bereits abgeschlossen und es wurden viele kritische Stellungnahmen zum vorliegenden Entwurf eingebracht. Besonders in Hinblick auf die stationären Senioreneinrichtungen gab es viele kritische Rückmeldungen, die sich auch in der Berichterstattung der Medien widerspiegelten. Der zuständige Soziallandesrat Pewny (FP) kündigte an, dass die Stellungnahmen genau geprüft werden und man Änderungen in den Entwurf einarbeiten werde –„sollte ein Mehrwert bestehen“, so Pewny.

Allgemeine Kriterien versprechen individuelle Verbesserung

Schon bisher regelte das Pflegegesetz Leistungen der Hauskrankenpflege, der Haushaltshilfe, der Tageszentren, aber auch der Seniorenwohnhäuser und Seniorenpflegeeinrichtungen. Mit der Erweiterung der „Allgemeinen Kriterien“ für die Leistungserbringung wird im Gesetzesentwurf eine inhaltliche Verbesserung angestrebt. Oder eigentlich nur angekündigt, denn konkrete Umsetzungsschritte bleibt der Gesetzesentwurf auch hier schuldig. Art und Umfang der Leistungserbringung, beispielsweise bei der Pflege im Seniorenheim oder in der Haushaltshilfe, sollen so erfolgen, dass die Bedürfnisse der Kunden und deren Vorlieben und Gewohnheiten berücksichtigt werden. Auch der Zeitpunkt der Leistungserbringung ist nach dem Wunsch der Kunden zu gestalten. Diese neuen Kriterien würden also tatsächlich Selbstbestimmung deutlich unterstützen – und schon jetzt ist das Personal meist sehr bemüht, um den Bedürfnissen der Bewohner:innen bzw. im ambulanten Bereich wird von Kund:innen gesprochen, bestmöglich zu entsprechen. Aber oft sind es geringe oder fehlende Ressourcen, die hier das Problem ergeben: Beispielsweise Essen für alle Bewohner:innen am frühen Abend, auch wenn es sich manche anders wünschen, da später nur mehr ein unterbesetzter Nachtdienst verfügbar ist. Oder die Unterstützung der Haushaltshilfe wird erst am Nachmittag benötigt, doch das ist nicht mit der Diensteinteilung vereinbar.

Die organisatorischen „Sachzwänge“ sind zwar nachvollziehbar, dass dadurch aber die Selbstbestimmung wieder unterlaufen wird, darf dennoch nicht akzeptiert werden. Damit die „Allgemeinen Kriterien“ nicht zu leeren Floskeln verkommen, müssen sie mit entsprechenden Ressourcen hinterlegt werden. Es braucht eine ganzheitliche Planung, aber die wird im Salzburger Pflegegesetz weiterhin vermisst.

Senior:innen und Menschen mit Beeinträchtigungen als Zielgruppe

Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) definiert den Kreis der Personen, deren Rechte durch diese Konvention geschützt werden, sehr weit. Grundsätzlich richtet sich die UN-BRK an alle Menschen und verwendet den menschenrechtlichen Behindertenbegriff. Die lange und noch immer vorherrschende medizinische Betrachtung bzw. Einteilung ist nicht Definitionsinstrument der Konvention. Das macht es vielleicht schwieriger in der Anwendung, hilft aber dabei, dass durch die UN-BRK nicht (neue) Randgruppen definiert werden. Eine Beeinträchtigung erfordert gesellschaftliche Unterstützung, damit die gleichberechtigte Teilhabe garantiert und die Person nicht durch die Gesellschaft behindert wird. Menschen mit Betreuungs- und/oder Pflegebedarf denen keine adäquate Unterstützung zur Verfügung steht und somit eine gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft verwehrt wird, können sich auf die UN-BRK berufen und die Verletzung problematisieren.

Trotzdem gibt es weiterhin lange Wartelisten für eine Betreuung in einem Seniorenwohnhaus oder in einer Pflegeeinrichtung. Der Mangel behindert die Menschen, die das Angebot gerne nutzen würden oder sogar über Alternativen zu wenig Informationen erhalten. Denn auch wenn im Alltag einer stationären Einrichtung immer häufiger die Wünsche und Bedarfe der Bewohner:innen berücksichtigt werden, ist die Übersiedlung ins Heim vielfach eine Notlösung und von Fremdbestimmung gekennzeichnet – sei es bei der Entscheidung wo und mit wem ich wohne genauso, wie bei der Gestaltung des Tagesablaufes.

Daher würde eine konsequente Umsetzung der im Entwurf des Pflegegesetzes normierten Berücksichtigung der Bedürfnisse, Vorlieben und Gewohnheiten einen großen Schritt in Richtung Selbstbestimmung in Senioreneinrichtungen bedeuten. Wer die Hürde der Aufnahme in ein Seniorenheim nicht schafft – beispielsweise zu jung, suchtkrank, vor kurzem ins Bundesland gezogen – oder die Substandardwohnung nicht gegen Heimatmosphäre eintauschen will, findet kaum Alternativen. Ambulante Dienste leisten in diesen Fällen unschätzbare Arbeit, bei umfassender Pflegebedürftigkeit findet dies aber seine Grenzen. In Salzburg leben mehrere Dutzend pflegebedürftige Menschen in Pensionszimmern oder Notwohnungen der Wohnungsloseneinrichtungen. Doch diese herausfordernden Problemlagen bleiben weiter im Verborgen. Daher muss nicht die Pflege in ein Gesetz gezwängt werden, sondern es bedarf endlich menschenrechtskonformer Angebote für pflegebedürftige Personen und ausreichende Ressourcen.

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