Einmalzahlungen – ein bürokratisch verworrenes Hilfsmodell

Beitrag Carmen Bayer/Salzburger Armutskonferenz

Die im September beginnende Auszahlung der Leistungen aus dem dritten Anti-Teuerungspaket des Bundes hat sowohl bei Beziehenden als auch bei den jeweils auszahlenden Stellen nicht nur für Erleichterung gesorgt. Fakt ist, dass Menschen so schnell wie möglich Entlastung benötigen, was die rasche Auszahlung der 300 € bewirken sollte. Nur zeigen sich in der Praxis immer wieder Probleme, wie sie auch bereits beim ersten und zweiten Entlastungspaket aufgetreten sind:

Weil die Zahlungen nicht aus einem Topf an alle verteilt werden, sondern, je nach Situation – Pensionist:in, arbeitssuchend oder Bezug von Sozialunterstützung – von unterschiedlichen Stellen ausbezahlt werden, ergeben sich immer wieder Probleme und Missverständnisse. Etwa, wenn Frau A. Arbeitslosengeld und Sozialunterstützung bezieht. Dieses Konstellation ist nicht unüblich, in Salzburg waren 2021 etwa 786 Personen sogenannte Aufstocker:innen zum Arbeitslosengeld. Damit hätten sie theoretisch Anspruch sowohl auf 300 € Bonus zur Auszahlung des Arbeitslosengeldes und auf 300 € Auszahlung über das Sozialamt. Damit diese Doppelung nicht geschieht, werden die 300 € Zuschlag für Erwerbsarbeitssuchende bei Sozialunterstützungsbeziehenden angerechnet.

In diesem Moment beginnt die Fehleranfälligkeit des Hilfssystems, denn es ist für Sozialunterstützungsempfänger:innen oft nicht nachvollziehbar, warum die lange versprochene Unterstützung zwar ausbezahlt wird, aber an anderer Stelle wieder angerechnet wird. Dass bei einem derartigen komplexen System auch andere Fehler passieren, erscheint nicht weiter verwunderlich.

Am Beispiel von Frau A. werden gleich mehrere Lücken im sozialen Netz deutlich: Zum einen zeigt sich, dass das Arbeitslosengeld nicht existenzsichernd ist, da sie auf eine zusätzliche Leistung aus der Sozialunterstützung angewiesen ist. Darüber hinaus sind Erwerbsarbeitssuchende oft von erheblicher materieller Deprivation betroffen, was bedeutet, dass für sie wesentliche Güter / Lebensbereiche nicht leistbar sind. Darunter fallen beispielsweise eine neue Waschmaschine, ein Handy, oder auch die Wohnung angemessen warm zu halten. Mit Blick auf die aktuelle Situation verdeutlicht eine Erhebung der Statistik Austria im ersten Quartal 2022 die prekäre Situation Betroffener: 32% der befragten Arbeitssuchenden gab an, im letzten Quartal 2021 mit mindestens einer Zahlung im Verzug gewesen zu sein – im Vergleich zu 8% in der Gesamtbevölkerung[1].

Erschwerend hinzu kommt, dass auch das letzte soziale Netz, die Sozialunterstützung, nicht armutsfest ist. Die maximale Leistung (977,94 €) liegt unter der Armutsgefährdungsschwelle von 1.371 € für einen Ein-Personen-Haushalt. Werden dem die durchschnittlichen Mietkosten in Österreich von 574,30 € inkl. Betriebskosten[2] gegenübergestellt, liegt es auf der Hand, dass nach Zahlung der lebensnotwendigen Fixkosten kein finanzieller Spielraum mehr übrig bleibt.

Nach drei bundesweiten Entlastungspaketen, die allesamt einen enormen Verwaltungsaufwand verursachten und für noch mehr Verunsicherung von Betroffenen geführt haben, sollten die nächsten Schritte in Richtung einer strukturellen Verbesserung des sozialen Netzes führen. So ist es dringend notwendig, die Indexierung der Sozialleistungen bereits so schnell wie möglich umzusetzen, anstatt erst 2023. Darüber hinaus braucht es ein existenzsicherndes Arbeitslosengeld sowie die geforderte Reform der Sozialhilfe auf Bundesebene. Auch hier zeigen die Änderungen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetztes im Sommer 2022, dass dieses Gesetz so niemanden vor Armut schützt, sondern angepasst werden muss. Anstatt also regelmäßig mit kleinen Gesetzesanpassungen und Einmalzahlungen viel Verwaltungsaufwand und Unsicherheit zu produzieren, wäre es jetzt – inmitten der Krisen – an der Zeit für strukturelle Reformen und nachhaltige Verbesserungen des sozialen Netzes in Österreich.


[1] https://www.statistik.at/fileadmin/publications/Soziale-Krisenfolgen-BerichtW2-2022.pdf S.19

[2] https://www.statistik.at/fileadmin/announcement/2022/09/20220908WohnenQ2022.pdf

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