Salzburger Sozialunterstützungsgesetz

Heinz Schoibl, Helix – Forschung und Beratung, 25.2.2020

Am 25.2.2020 trafen sich Vertreter*innen des Forum WLH, der Sbg. Armutskonferenz sowie des OBDS mit LR Schellhorn und Vertreter*innen der Abteilung 3 des Landes, um den aktuellen Entwurf des Sozialunterstützungsgesetzes, der am 27.2. im Landtag beschlossen werden soll, detailliert zu besprechen.

Die Vorlage zur Salzburger Sozialunterstützung nimmt im Wesentlichen darauf Bezug, was laut VfGH-Urteil am türkis-blauen Grundsatzgesetz (in der Folge: SH-GG) faul und verfassungswidrig war. Die diskriminierenden Passagen zur Bewertung von fehlenden Sprachkenntnissen als Hürde zur Integration auf dem Arbeitsmarkt, die mit einem Abzug von 35% des Richtsatzes sanktioniert wird, und der degressiven Staffelung der Beiträge für Kinder (Förderung von Kinderarmut) werden gestrichen – immerhin. Das war’s dann aber auch bereits, weitere Grausigkeiten blieben jedoch – laut LR Schellhorn und Sozialverwaltung – unverändert in Kraft und schränken die armutspolitisch relevanten Spielräume für die Landesgesetzgeber*innen ein. Im Einzelnen betrifft das:

Die unmittelbare Diskriminierung von Migrant*innen – gemäß Sprachkenntnissen – (SH-GG § 8a) wurde vom VfGH aufgehoben. Die erweiterte Zielbestimmung jedoch, wonach das Sozialunterstützungsgesetz (in der Folge: SUG) neben der Förderung der Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes auch fremdenpolizeiliche Agenden – sprich: Verhinderung der Zuwanderung ins Sozialsystem – zu gewährleisten hat, bleibt in Kraft. Dass diese ergänzenden Zielbestimmungen letztlich in Widerspruch zum eigentlichen Zweck, nämlich der Bekämpfung von Armut, stehen, wird nicht zur Kenntnis genommen.

Beachte: Zu wichtigen Anteilen wird die Sozialunterstützung in die Pflicht genommen, a) (missliebige) Fremde auszugrenzen und b) Leistungsbezieher*innen zu disziplinieren.


Persönliche Leistungsvoraussetzungen: Das SUG nimmt, in Ausführung des SH-GG, eine maßgebliche Verschärfung der persönlichen Leistungsvoraussetzungen vor und normiert, dass nicht nur ein Hauptwohnsitz vor Ort sondern auch ein tatsächlicher und dauerhafter Aufenthalt vor Ort gegeben sein muss.

Demnach gilt:

  • obdachlose Personen (ohne Hauptwohnsitz) sowie zugezogene Personen, die zwischenzeitig in Haft, Kur etc. auswärts verweilten, verlieren für den Zeitraum des ersten Monats ihrer Rückkehr und einer neuerlichen polizeilichen Meldung vor Ort (z.B. in Form einer Hauptwohnsitzbestätigung, wie sie von SAG und Neustart ausgestellt werden) den Rechtsanspruch auf Unterstützung.
  • Zudem können „Fremde“ ohne zumindest 5jährigen dauerhaften und rechtmäßigen Aufenthalt vor Ort nicht mehr „freiwillig“ unterstützt werden.

Hilfe für den Lebensunterhalt wird im SUG auf 60% des Richtsatzes gekürzt. Die Leistungsbezieher*innen werden mithin ab Juni 2020 einen um 15% reduzierten Betrag erhalten. Die ohnedies nicht bedarfsdeckende Förderung des Lebensunterhalts (vgl. etwa: Referenzbudget oder formell anerkannte Armutsgrenze im EU-SILC) wird somit mit einem Federstrich zusätzlich um ca. € 130 gekürzt.

Beachte: Zudem erfährt die Förderung des Lebensunterhalts für Personen mit einem Einkommen aus Arbeit oder Pension eine zusätzliche Reduktion, weil nunmehr die 13. und 14. Bezüge als Einkommen gerechnet und vom Richtsatz abgezogen werden. Zudem fallen nun die Sonderzahlungen für Kinder weg.

Förderung von Wohnkosten: Das SUG nimmt eine Erhöhung des Rahmens für die Förderung der Wohnkosten vor. Dafür sind nun 40% des Richtsatzes vorgesehen. Für den Fall, dass damit höhere Wohnkosten nicht gedeckt werden können, kann eine ergänzende Förderung bis zu 70% des Richtsatzes gewährt werden. Ergänzende Hilfen für den Wohnbedarf sind jedoch als Sachleistungen zu erbringen. In Ergänzung dazu wurde im SUG eine Neu-Definition des Begriffs „Sachleistungen“ eingefügt. Danach sind Sachleistungen auch „Kostenerstattungen“ für bereits geleistete Zahlungen zur Deckung des Wohnbedarfs.“ Damit kann in Zukunft eine Stigmatisierung im Sinne der Offenlegung, dass das Amt die Mietzahlung übernimmt, vermieden werden.

Beachte: Wohnbeihilfe wird als Einkommen gerechnet und wird vom Richtsatz abgezogen.

Beachte: Die Förderung der Wohnkosten wird – wie bisher schon – gedeckelt, unabhängig von möglichen 70% des Richtsatzes. Auch weiterhin wird in Salzburg ein „höchst zulässiger Wohnaufwand“ (HWA) eingezogen.

HWA: Für die Stadt Salzburg gelten künftig folgende HWA-Grenzen:

  • eine Person             € 605
  • zwei Personen         € 715
  • drei Personen          € 818

Streichung der Übernahme von Darlehenstilgungen: Im SUG wird, den restriktiven Grundzügen von SH-GG folgend, die Möglichkeit gestrichen, Ratenzahlungen für Wohneigentum als Ausgaben anzuerkennen und mithin zu fördern.

Delogierungsprävention – nein danke: Das SUG sieht keine Mittel für die Begleichung offener Mietrückstände vor und trägt nicht (mehr) zur Delogierungsprävention bei.

Erweiterung des Begriffs „ Wohnbedarf“: der größere Rahmen (bis 70%) für die Förderung von Wohnkosten schließt die Deckung des Bedarfs in Hinblick auf Hausrat, Heizung und Strom ein, die im Rahmen der Wohnkostenförderung beglichen werden können.

Krankenversicherung: Im SUG ist die Finanzierung der Krankenversicherung vorgesehen.

Wohngemeinschaften: Das SUG sieht gemäß SH-GG vor, dass Menschen, die mit anderen Erwachsenen in Gemeinschaft leben, als Mitglieder einer Wohngemeinschaft zu rechnen sind und einen niedrigeren Bedarf für den Lebensunterhalt haben – unabhängig davon, wie es um diese „Wohngemeinschaft“ bestellt ist. Dem Buchstaben nach gilt diese Bestimmung auch für Personen, die sich eine Wohnung und mithin eine Küche teilen, auch wenn dies nur dem Ziel geschuldet ist, die Wohnkosten auf ein leistbares Niveau zu reduzieren.

Ausgenommen davon sind Nutzer*innen einer Notschlafstelle, Bewohnerinnen von Frauenhäusern, sozial-therapeutischen Wohngemeinschaften etc. – diese „nicht-gewillkürten“ Wohngemeinschaften sind von der Deckelung und der degressiven Staffelung ausgenommen.

Im Einzelnen gelten folgende Richtsätze:

  • Richtsatz für Alleinstehende und Alleinerziehende in der Höhe von 100%
  • im gemeinsamen Haushalt lebende erwachsene Person in der Höhe von 70%
  • ab der dritten leistungsberechtigten volljährigen Person in der Höhe von 45%
  • dynamische Deckelung bei Haushalten mit volljährigen Bezugsberechtigten auf 175% des Richtsatzes (aber: 20% des Richtsatzes für Alleinstehend dürfen pro Person nicht unterschritten werden)

Beachte: Bei der Deckelung auf 175% wird nur die Leistung für den Lebensunterhalt gerechnet. Die Deckung der Wohnkosten wird dagegen nicht gekürzt. Daraus ergibt sich, dass die Deckelung letztlich erst ab der sechsten Person zu einer Kürzung der Förderung kommt, die über die degressive Gestaltung der Förderung hinausgeht. Im Einzelnen ergibt sich für einen 6-Personen-Haushalt folgende Förderstruktur:

  • 175 % vom Ausgleichszulagenrichtsatz                            € 1.605,0
  • 1. Person 70 % vom Lebensunterhalt                             €    385,3
  • 2. Person 70 %                                                          €    385,3
  • 3. – 5. Person jeweils 45 % = 3 x  247,7                         €    743,1

Richtsatz für Kinder: Gemäß VfGH-Entscheidung sieht das SUG keine degressive Staffelung der Leistungen für Kinder in Mehrkindfamilien vor. Grundsätzlich ist eine Förderung von Kindern in der Höhe von 21% des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende vorgesehen.

Beachte: Die bisher gültigen Sonderzahlungen für Kinder fallen weg; Richtsätze kommen künftig nur 12x pro Jahr zur Auszahlung.

Einsatz des Einkommens

Anrechnung des 13. und 14. Gehalts von Working poor und Pensionist*innen:
Für Working poor sowie Pensionist*innen wird es in Zukunft insgesamt 5 Bescheide pro Jahr brauchen, 5 Mal Vorsprache auf dem Amt und Vorlage der Lohnzettel etc., wiederholte Neuberechnung und jeweils befristete Förderzusage etc.

Beachte: Die bisher gewährten Freibeträge für Berufstätigkeit werden beibehalten.

Beachte: Unterhaltszahlungen bis zum Unterhaltsexistenzminimum gelten künftig nicht mehr als einkommensmindernd.

Einsatz des Vermögens

  • Schonvermögen wird von bisher dem 5fachen des Richtsatzes auf das 6fache des Richtsatzes pro bezugsberechtigter Person erhöht.
  • Eine grundbücherliche Sicherstellung ist erst nach einem 3jährigen durchgehenden Bezug vorgesehen, ohne dass rückwirkend bereits bezogene Leistungen angerechnet werden.

Einsatz der Arbeitskraft

Wie bereits bisher auch sind Leistungsbezieher*innen im arbeitsfähigen Alter gemäß SUG verpflichtet, sich um die Aufnahme von Erwerbsarbeit zu bemühen.

Beachte: Diese Verpflichtung gilt nicht für Personen, die in einer zielstrebig verfolgten Ausbildung stehen, die den erstmaligen Abschluss einer Lehre zum Ziel hat. Die bisherige Altersbegrenzung wird aufgehoben.

Zusatzleistungen

Im SUG werden Sonderbedarfe (z.B. Ersatz einer kaputten Waschmaschine) anerkannt. Die Förderung dieser Sonderbedarfe können künftig jedoch nur als Sachleistung gewährt werden. Auf die Abdeckung von Sonderbedarfen besteht kein Rechtsanspruch.

Auf Hilfen in besonderen Lebenslagen besteht kein Rechtsanspruch. Diese Hilfen sind künftig auf Aufwände zur Beschaffung von Wohnraum und zur Sicherung der wirtschaftlichen Lebensgrundlagen eingeschränkt.

Beachte: Hilfe zur Beibehaltung von Wohnraum ist nicht mehr vorgesehen

Beachte: Mietrückstände können nicht mehr übernommen werden.

Antragsgebundene Unterstützung: Die Förderung ist, wie zu Zeiten der bedarfsorientierten Mindestsicherung, daran gebunden, dass vorab ein Antrag eingebracht wird. Allerdings wurde bisher im Antragsmonat rückwirkend für den ganzen Monat ausgezahlt. Nun gibt es erst ab dem Tag der Antragstellung eine Leistung.

Beachte: Die rechtzeitige Antragstellung schaffen viele – selbst im betreuten Setting nicht – der rationale Formalakt wird von psychischen/psychiatrischen Erkrankungen/Belastungen konterkariert. Amtsbekannte Notlage / Information Dritter reichen nicht aus.

Beachte: Amtswegigkeit der Hilfe, z.B. für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung ist nicht vorgesehen.

Leistungen Dritter: Im unsäglichen SUG ist – gemäß der Vorgabe im SH-GG– vorgesehen, dass Leistungen Dritter auch dann angerechnet und von der Förderung abgezogen werden, wenn auf diese keine Rechtsansprüche bestehen, diese jedoch über einen Zeitraum von mehr als 4 Monate bezogen werden. Vorstellbar wäre z.B. eine private Heizkostenbeihilfe etc.

Ausblick: Die Verordnung zur Durchführung soll im April zur Begutachtung vorgelegt werden. Das Gesetz tritt im am 1. Juni 2020 in Kraft.

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