Auch in Corona-Zeiten: Diagnoseverfahren nur mit Zustimmung

Beitrag von Norbert Krammer

In den letzten Wochen kündigten Politiker*innen in den Medien immer wieder zunehmende „Testungen“ bei verschiedenen Bevölkerungsgruppen und/oder in bestimmten örtlichen Bereichen an.

Auch von verschiedenen Berufsgruppen wurden umfassende Covid-19-Tests gefordert: Beispielsweise in allen Senioreneinrichtungen, in allen Einrichtungen der Behindertenhilfe, bei allen Betreuer*innen und in der Pflege.

Bemühung um Eindämmung der Covid-19-Pandemie

Seit Mitte März 2020 sind uns die vielfältigen Maßnahmen der Bundesregierung, der Länder und der Sanitätsbehörden bekannt: Wir halten genügend Abstand. Wir waschen uns mehrmals täglich gründlich die Hände. Wir werden im Verdachtsfall in Quarantäne geschickt und wir wurden mit Ausgangsbeschränkungen und eingeschränkten Dienstleistungen des Handels und der Gastronomie konfrontiert.

Epidemie-Expert*innen sehen darin sinnvolle Maßnahmen, um die Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus einzudämmen. Die rechtlichen Grundlagen wurden – nicht immer unumstritten – in verschiedenen COVID-19-Gesetzen vom Nationalrat beschlossen.

Durch die gültige Regelung im Epidemiegesetz sind Krankheitsverdächtige verpflichtet, den zuständigen Behörden nicht nur die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, sondern sich auch den notwendigen ärztlichen Untersuchungen zu unterziehen. Diesem behördlichen Vorgehen sind aber enge Grenzen gesetzt und darüberhinausgehende Maßnahmen erfordern die Zustimmung der untersuchten Person in jedem Einzelfall.

Testung und Abstrichnahme

In den letzten Wochen wurden die Corona-Tests in Senioreneinrichtungen intensiviert. Beispielsweise berichtete das Land Salzburg Ende April nicht ohne Stolz, dass bereits mehr als 1.400 Personen in Seniorenwohnhäuser getestet wurden. Auch Bewohner*innen von Einrichtungen der Behindertenhilfe werden zunehmend getestet.

In Tirol richtet sich das Land mit seinem Angebot nicht nur an die rund 1.000 Menschen mit Behinderungen in stationären Einrichtungen, sondern auch an die 10.000 Menschen mit Beeinträchtigungen in privaten Wohnverhältnissen.

Zustimmung für Diagnoseverfahren erforderlich

Für die Durchführung dieser präventiven Abstrichnahme ist daher die Zustimmung jeder Person erforderlich, bei der dieser Abstrich zur Feststellung einer PCR-Diagnose erfolgt. Auch weitere Einwilligungen wegen der beabsichtigten Erhebung und Weitergabe von personenbezogenen Daten könnten ebenso erforderlich sein, wie ein Entbinden der behandelnden Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber der Einrichtung in Zusammenhang mit der Risikoprävention.

Der Grundsatz der Freiwilligkeit an der Mitwirkung ist zu garantieren, umso mehr, wenn die Diagnoseuntersuchung in einer Einrichtung stattfindet und die/der Bewohner*in dem dortigen Ordnungsregime unterworfen ist. Die Mitarbeiter*innen der betreuenden Einrichtungen sind hier besonders gefordert, damit in empathischer Form neben der Aufklärung auch Spielraum für eine eigene, auch abweichende, Entscheidung bleibt.

Entscheidungsfähigkeit und Zustimmung

Nicht alle Bewohner*innen von Senioren- und von Behinderteneinrichtungen sind uneingeschränkt entscheidungsfähig und für manche Personen wurde vom Bezirksgericht in einem Verfahren eine gerichtliche Erwachsenenvertreterin / ein Erwachsenenvertreter bestellt.

Für die Durchführung des Abstriches ist bei entscheidungsfähigen Personen deren ausdrückliche Einwilligung einzuholen. Bei fehlender Entscheidungsfähigkeit kann dies durch die/den gesetzliche/n Vertreter*in mit entsprechendem Wirkungsbereich erfolgen.

Dabei sind u.a. die Regelungen im Erwachsenenschutzgesetz (vgl. besonders § 252 ff ABGB) zu beachten. Die behandelnde Person hat zu überprüfen, ob im Hinblick auf die konkrete Maßnahme, also für das diagnostische Verfahren des Abstrichs, die Entscheidungsfähigkeit besteht. Wenn diese nicht vorliegt, muss nachweislich ein Unterstützerkreis beigezogen werden.

Durch dieses Beiziehen von Angehörigen und Vertrauenspersonen oder im Umgang mit Menschen in solchen schwierigen Lebenslagen besonders geübten Fachleuten, soll die zu behandelnde Person soweit unterstützt werden, dass ihre Entscheidungsfähigkeit wiedererlangt wird. Ein intensives, aber lohnendes Verfahren, das bei medizinischen Behandlungen und Diagnoseverfahren nicht entscheidungsfähiger Personen gesetzlich zwingend umzusetzen ist.

Erst wenn der Unterstützerkreis nicht das gewünschte Ergebnis erzielen kann, kann die/der gerichtliche Erwachsenenvertreter*in bei Vorliegen des entsprechenden Wirkungsbereichs die Zustimmung erteilen.

Rechte achten trotz eingeschränkter Entscheidungsfähigkeit

Das Erwachsenenschutzgesetz zielt auf eine Stärkung der Selbstbestimmung von Menschen mit psychischer Erkrankung oder vergleichbarer Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit ab. Menschen mit Behinderungen müssen bei der Wahrung ihrer Selbstbestimmung unterstützt werden.

Gerade in Ausnahmesituationen, wie dies die aktuellen Einschränkungen durch die Covid-19-Epidemie zeigen, müssen die Rechte der Einzelnen besonders geschützt werden. Untersuchungen – wie z.B. die (periodischen) Abstriche – bedürfen der Zustimmung der betroffenen Person. An diesem Recht wurde vom Gesetzgeber auch nicht gerüttelt: Aufklärung – möglichst auch mit leicht verständlichen Unterlagen (LL-Materialien) –, Unterstützerkreis, eigene Zustimmung oder bei fehlender Entscheidungsfähigkeit Zustimmung des Vertreters.

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