Betrifft: Stellungnahme zum Entwurf des Gesetzes zur Erlassung befristeter Sonderregelungen für „Kostenreduzierte Wohnbauten“

Beitrag von Heinz Schoibl

Leider wurde die Wohnungslosenhilfe von der Landesregierung nicht eingeladen, am Begutachtungsverfahren zu den Sonderregelungen für „kostenreduzierte Wohnbauten“ teilzunehmen. Da der Zugang zu leistbaren Wohnungen jedoch für eine wirksame Wohnungslosenhilfe essentiell ist, möchten wir mit diesem Offenen Brief zum Vorhaben Stellung nehmen und um Berücksichtigung unserer Vorschläge ersuchen.

Die Förderung nach kostengünstigem Wohnungsneubau begrüßen wir
vorbehaltlos

Wiederholt hat das Forum Wohnungslosenhilfe öffentlich darauf hingewiesen, dass in Salzburg nur wenige leistbare Wohnungen verfügbar sind und der Bedarf nach leistbaren Wohnungen mit zunehmender Tendenz nicht abgedeckt werden kann. Die jährlichen Wohnbedarfserhebungen des Forums Wohnungslosenhilfe machen deutlich, dass Wohnungsnot beständig zunimmt. Der Mangel an verfügbaren und leistbaren Wohnungen macht es zunehmend unmöglich, Wohnungslosigkeit zu vermeiden bzw. entstandene Wohnungslosigkeit zu bewältigen. In diesem Sinne begrüßen wir das Vorhaben der Salzburger Landesregierung, legistische Initiativen zur Kostenreduzierung im Neubau zu setzen und damit mehr leistbare Wohnungen zur Verfügung zu stellen.

Thema: Verdichtung

Die Gesetzesnovelle soll der fortschreitenden Versiegelung Einhalt gebieten und Anliegen der Ortskernentwicklung unterstützen. Die vorgeschlagenen Erleichterungen (kurze Verfahrensdauer, Ausnahmen aus dem Flächenwidmungsplan etc.) und Förderschwerpunkte zielen auf nachweisliche Verdichtungseffekte ab und sollen infrastrukturelle Anbindung und Nutzung von Potentialen in den Siedlungsräumen etc. sicherstellen.

Kritische Würdigung des Vorhabens

Kritisch wollen wir jedoch einwenden, dass einzelne der vorgeschlagenen Regelungen a) zu kurz greifen, b) fragwürdige bis falsche Schwerpunkte setzen und c) wichtige Regelungsbereiche teilweise bis gänzlich außer Acht lassen.

A) „Knapp daneben ist auch vorbei“

Leistbarkeit: Die Vorlage zur gesetzlichen Initiative definiert Leistbarkeit danach, dass die Kosten um 15% unterhalb der marktüblichen Preise zu liegen kommen sollen. Diese Kostenvorstellungen bewegen sich damit auf einem eher bescheidenen Niveau (z.B.: marktüblich ist in Salzburg-Stadt ein Mietpreis von € 16 m2, abzüglich 15% bleiben dann immer noch Wohnkosten von € 14 pro m2 oder für eine Garconniere mit 50m2 von € 700 – na super!).

Leider wird davon abgesehen, dass die marktförmige Preisentwicklung, beruhend auf Spekulation mit Grund und Boden etc., das eigentliche Problem darstellt und dass den betroffenen Mieter*innen nach Deckung der Wohnkosten nicht mehr ausreichend Geld für ihr (Über)Leben bleibt. Wünschenswert wäre stattdessen eine Fixierung der zu erreichenden Maximalkosten, z.B. eine Preisvorgabe für die Errichtungskosten von € 5 pro Quadratmeter, sowie eine Festlegung auf maximale Betriebskosten.

Wesentlich wäre zudem eine verbindliche Abstimmung mit den Vorgaben von Wohnbeihilfe und Bedarfsorientierter Mindestsicherung / Sozialunterstützung, sodass die Vorgaben für Delogierungsprävention sowie für Anmietung zur Bewältigung von Wohnungslosigkeit eingehalten werden können.

Miete oder Wohneigentum: Mit Fug und Recht verweist die Vorlage auf den Bedarf nach leistbaren Mietwohnungen. Leider begnügt sich der Gesetzesvorschlag in der Folge mit der Forderung nach einem Anteil von mindestens 50% Mietwohnungen. Da bei einem Großteil der Personen mit niedrigeren Einkommen wohl kaum Bedarf nach kostengünstigem Wohneigentum besteht und Forderungen nach leistbaren Wohnungen allem voran den Mietsektor betreffen, erscheint diese Einschränkung zumindest fragwürdig.

Befristung des kommunalen Zuweisungsrechts: Allem voran die Gemeinden und Kommunen sind in der Pflicht, ihren Bürger*innen Zugang zu leistbaren Wohnungen zu sichern. Es ist deshalb zu begrüßen, dass den Gemeinden ein Zuweisungsrecht zu den neu errichteten kostengünstigen Wohnungen zuteilwerden soll. Unverständlich ist allerdings die Einschränkung, warum dieses Zuweisungsrecht nur für den Zeitraum von 25 Jahren gültig sein soll. Zu begrüßen wäre stattdessen die Vorgabe einer immerwährenden Sozialbindung.

B) „Am Thema vorbei“

Sparen am Standard: Die Vorlage definiert Ausnahmen von Standardvorgaben, wodurch die Reduzierung von Baukosten gesichert werden soll, und zielt dabei vor allem auf eine Lockerung der bautechnischen Vorschriften bzgl. Barrierefreiheit im Neubau. Demnach soll in Zukunft auch im Mehrgeschoßwohnbau der Einbau eines Aufzugs nicht mehr verpflichtend sein.

Leistbares Wohnen ist demnach für Menschen mit Behinderung nicht zugänglich (im doppelten Wortsinn). Wir halten diese Vorgangsweise unter mehreren Gesichtspunkten für nicht zielführend, im Einzelnen:

  • diskriminierend, weil damit wichtige Zielgruppen für kostengünstige Neubauwohnungen vom Bezug ausgeschlossen werden (das betrifft auch ältere Menschen, Familien mit Kleinkindern etc.),
  • bedenklich, weil dies gegen die von Österreich ratifizierte UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung verstößt,
  • kontraproduktiv, vor allem in Hinblick auf die dringend geforderte Inklusion im Kontext von Stadtentwicklung und Gesellschaftspolitik.

Wir schließen uns diesbezüglich der Kritik des Klagsverbands zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern vollinhaltlich an.

Mobilitätsvorgaben: Die kostengünstigen Bauten sollen im besiedelten Raum errichtet und Anschluss an die öffentliche Verkehrsinfrastruktur gesichert werden. So weit – so gut!

Allerdings bleiben bei der Zielbestimmung, kostentreibende Faktoren des Wohnungsneubaus zu reduzieren, die Vorgaben der Stellplatzverordnung gänzlich außer Acht. Stattdessen wird in der Gesetzesvorlage dezidiert festgestellt, dass von der vorgeschriebenen Anzahl der Stellplätze mindestens 50% in einer Tiefgarage abzudecken sind. Initiativen für den Verzicht auf Pkw und entsprechende Abstellplätze werden nicht nur nicht erwähnt, sondern per Vorgabe außer Acht gelassen.

Baulandbevorratung: Der Blick auf die Wohnungsmarktdaten macht überdeutlich, dass vor allem die Preisentwicklung im Baulandbereich für den Teuerungsschub im Wohnungsbau verantwortlich ist. Umso verwunderlicher erscheint es, das in diesem Gesetzesvorschlag auf Fragen der Baulandbevorratung bzw. der Widmungsmöglichkeiten in der Raumordnung gar nicht eingegangen wird. Dass unter Vorgabe des Ziels einer Kostenreduktion um bescheidene 15% dagegen auf Barrierefreiheit verzichtet werden soll, ohne zumindest im gleichen Atemzug auch den Renditeerwartungen von Baulandspekulant*innen entgegenzuwirken, erscheint nachgerade obszön.

C) „Wieder nichts geworden“

Keine systematische Verschränkung von Wohn- und Sozialpolitik: Wohnen für Alle – leistbar, dauerhaft und inklusiv – ist wesentlich davon abhängig, dass wohn- und sozialpolitische Vorsorgen gut aufeinander abgestimmt und verschränkt werden. Der nun vorliegende Vorschlag für eine Schwerpunktsetzung zur Reduzierung der Neubaukosten zielt zwar direkt auf den Schnittpunkt aus Wohn- und Sozialpolitik ab, enthält sich jedoch jeder Überlegung, inwieweit es hier einer Abstimmung und Verschränkung mit sozialpolitischen Vorgaben bedürfte.

Kein Recht auf Wohnen: Leider bleibt in der Regierungsvorlage der Konnex zum Menschenrecht auf Wohnen gänzlich ausgespart. Stattdessen werden die Irrwege zur Erleichterung des Zugangs zu erschwinglichem Wohneigentum ebenso geöffnet, wie auch die „heilige Kuh“ des motorisierten Individualverkehrs Pate für den Wohnbau bleibt. Die Themen der Sozialbindung von Wohnbauförderung und der Zuweisungsrechte für Gemeinden werden nicht problematisiert, die kritischen Befristungsvorgaben schlicht weitergeführt.

Kein Recht auf Schutz vor Armut, Ausgrenzung und Wohnungslosigkeit: Die Gesetzesvorlage zielt ausschließlich auf eine Reduzierung von Wohnbaukosten ab, ohne weitere Gesichtspunkte, wie z.B. Prävention von Armut, Ausgrenzung und Wohnungslosigkeit, zu thematisieren.

Keine Einladung zur Mitwirkung: In Vorbereitung auf diese Initiative für kostengünstigen Wohnungsneubau wurde leider darauf verzichtet, u.E. wichtige Akteur*innen auf dem Wohnungssektor beizuziehen, Fragen der Leistbarkeit fakten- und evidenzbasiert zu diskutieren, Maßnahmen zur Realisierung des überfälligen Rechts auf Wohnen unter Beteiligung betroffener Personen und Expert*innen aus dem Umfeld von Monitoring-Ausschuss, Forum für Wohnungslosenhilfe, Armutsnetzwerk etc. zu diskutieren und zu gestalten.

Das Primat, nicht über Personen in Wohnungsnot zu reden sondern mit Personen in Wohnungsnot zu verhandeln, wurde stattdessen fahrlässig missachtet. Unter diesen Vorzeichen ist leider nicht verwunderlich, dass das Ergebnis mehr als zu wünschen übrig lässt.

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