Beitrag von Elisabeth Kocher, Salzburger Armutskonferenz
Ja, der Begriff klingt verstaubt… Aber: Natürlich sind wir solidarisch! Solidarisch mit unseren Arbeitskolleg*innen, wenn der Chef in einem Rundumschlag seine Mitarbeiter*innen niedermacht. Solidarisch mit den Bewohner*innen des eigenen Grätzels, die sich gegen die Verkehrsbelastung laut machen. Ja, vielleicht sind wir sogar solidarisch mit dem Sportverein ums Eck, um den es finanziell schlecht steht und wir deshalb ein paar Euros spenden.
Solidarität im unmittelbaren Nahraum fällt uns nicht so schwer, Solidarität unter Fremden wird hingegen als Zwang wahrgenommen. Solidarität kostet etwas – sie verlangt uns etwas ab. Sie hört nicht da auch, wo es schwierig wird, beschreibt Barbara Prainsack, Leiterin der Forschungsgruppe Zeitgenössische Solidaritätsstudien der Uni Wien, den Solidaritätsbegriff. Solidarität ist längst kein Kampfbegriff der Linken mehr. Auch rechte und konservative Parteien verwenden ihn, wenn sie zum Beispiel über „Solidarität aller österreichischer Staatsbürger“ sprechen. Das ist freilich ein sehr enges und vor allem exkludierendes Verständnis von Solidarität. Der deutsche Soziologe Heinz Bude spricht von ausschließender Solidarität, wenn er auf Slogans wie „America First“ verweist – Slogans, die Menschen ansprechen sollen, die über Jahre hinweg links liegen gelassen wurden. Und das mit Erfolg.
Weniger offensichtlich – und deshalb auch schwerer zu durchschauen – erkennt Wilhelm Heitmeyer, ebenfalls Soziologe, ein Phänomen hierzulande, dass er die „rohe Bürgerlichkeit“ nennt. Sie ist gekennzeichnet von einer dünnen Schicht zivilisierter Umgangsform, unter der jedoch autoritäre Handlungen verborgen sind. Der politische Diskurs hat sich unter der rohen Bürgerlichkeit verändert. So haben beispielsweise Altkanzler Kurz und seine Entourage das Mantra: „Wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein“ gebetsmühlenartig wiederholt. Die gescheiterte Regierung wollte uns tatsächlich glauben machen, dass es in der sogenannten sozialen Hängematte so bequem ist, dass die Kinder in der Früh die einzigen seien, die noch aufstünden. Negative Stereotype wie „Sozialschmarotzer“, die „unseren Sozialstaat belasten“ werden als Legitimation verwendet um armutsbetroffenen Menschen keine oder nur wenig Unterstützung zukommen zu lassen. Arme Menschen, so der politische Diskurs, seien selber schuld, führt die Sozialwissenschaftlerin Birgit Buchinger den Gedanken Heitmeyers fort. Schnell sind sie zu Feindbildern geworden: Geflüchtet, Arbeitslose und Mindestsicherungsbezieher*innen. Also jene, denen eigentlich am meisten Solidarität zustehen müsste.
Die Salzburger Armutskonferenz versucht solidarisch mit Armutsbetroffenen zu sein. Wir möchten denen eine Stimme geben, die selbst nicht die Kraft oder die Ressourcen haben, ihre Stimme zu heben. Wir setzen uns für die Interessen und Bedürfnisse derer ein, die keine Lobby haben.
Solidarität ist es, was die Gesellschaft zusammenhält. Und, um nochmals die Worte von Barbara Prainsack zu verwenden: Sie hört nicht da auf, wo es schwierig wird!