Stellungnahme zur Verordnung Salzburger Sozialunterstützungsgesetz

Der Entwurf von Durchführungsverordnungen zum Salzburger Sozialunterstützungsgesetz (i.d.F.: SUG 2020) liegt zur Begutachtung vor. Das Forum WLH nützt die Gelegenheit, innert offener Frist eine fachliche Stellungnahme zu den Leitlinien sozialer und Wohnsicherheit im Bundesland Salzburg abzugeben und ersucht um Berücksichtigung der vorgebrachten Argumente. Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Prolog

Wir begrüßen das Bemühen, trotz der überaus engen Vorgaben des Grundsatzgesetzes Sozialhilfe (i.d.F.: GSG SH) Auswege aus der Salzburg-spezifischen Wohnungsmisere zu eröffnen und den finanziellen Rahmen für die Deckung von Wohnkosten zu erweitern. Leider sind die diesbezüglichen Vorsorgen in mehrfacher Hinsicht nicht ausreichend genug. Entsprechende Vorbehalte haben wir bereits in unserer Kritik an der gesetzlichen Grundlage des SUG hervorgehoben. Wir bedauern, dass diese Vorbehalte in dieser Verordnung nicht berücksichtigt werden.

  • Die Deckung der Wohnkosten ist erheblich großzügiger geregelt, als dies bisher der Fall war, wird durch die Vorgabe eines „höchst zulässigen Wohnaufwands“ jedoch in einem Ausmaß gedeckelt, das auf die Fakten eines vorwiegend marktförmig organisierten privaten Wohnungsmarktes keinen Bedacht nimmt.

  • Dazu kommt, dass die Erhöhung des finanziellen Rahmens für die Wohnkostenförderung zu einem großen Teil (-15%) von den Bezieher*innen der Sozialunterstützung selbst getragen wird, die auf einen erheblichen Teil der in der vordem gültigen Fassung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung für den Lebensunterhalt gewidmeten Leistungen verzichten müssen.

  • Personen ohne dauerhaften regulären Aufenthalt, d.h. ohne formelle Niederlassungs- und Aufenthaltsbewilligung, werden gänzlich vom Anspruch auf eine Unterstützung ausgeschlossen. Für die Bedarfsgruppe der „Fremden“ ist sogar die Kannleistung gestrichen. Das bedeutet, dass auf besondere Gefährdungslagen keine Rücksicht mehr genommen werden kann. Das SUG 2020 folgt widerspruchslos den menschenrechts- und verfassungswidrigen Grundzügen des GSG SH und diskriminiert die Bedarfsgruppe der „Fremden“, nimmt diesen mithin das Recht auf Schutz vor Armut, Ausgrenzung und Wohnungslosigkeit und macht diese zu Bürger*innen zweiter Klasse.

Gesamthafte Würdigung

Über diese Verordnung hinausgehend halten wir grundsätzlich mit Bedauern fest:

  • Dem Menschenrecht auf Wohnen wird durch das SUG 2020 und die vorliegenden Durchführungsverordnungen eine unangemessene fiskalische Hürde entgegen gesetzt.

  • Bei der Bemessung der Hilfen wird von Prinzipien nachhaltiger Bekämpfung von Armut im Allgemeinen und vom Recht auf eine individuelle Bedarfsprüfung / -orien­tierung im Besonderen abgesehen.

Die Verordnung nimmt in §1 „Höhe des höchstzulässigen Wohnungsaufwandes“ eine generelle Begrenzung vor, ohne dabei

  • auf reale Preisentwicklungen auf dem Wohnungsmarkt Bezug zu nehmen (Siehe dazu im Anhang: Analyse des Preisniveaus verfügbarer Mietwohnungen in Salzburg-Stadt)

  • den tatsächlichen individuellen Bedarf entsprechend zu berücksichtigen resp. diesen als Ausgangspunkt für die Bemessung der Hilfe heranzuziehen

  • der vorliegende Entwurf geht in diesem Sinne nicht auf die Tatsache ein, dass in Salzburg ein eklatanter Mangel an verfügbaren „günstigen“ Wohnungen besteht (vgl. dazu Tamesberger, Bacher und Stöger 2019), sondern konfrontiert die Antragsteller*innen für den Fall, dass um die angebotenen Höchstbeträge keine Wohnung verfügbar ist, mit drohender Wohnungslosigkeit.

SUG und Durchführungsverordnung ignorieren, dass Wohnen ein Menschenrecht darstellt, das nicht durch willkürliche finanzielle Deckelungen eingeschränkt werden darf.

  • Leider wird sozialer Sicherheit, Wohnsicherheit und Schutz vor Wohnungslosigkeit zu wenig Priorität beigemessen.[1]

Artikel I: Sozialunterstützungsverordnung-Wohnen

Anrechnung von Wohnbeihilfen

Die Verordnung sieht im §2 zwingend vor, dass eine allfällige Wohnbeihilfe in voller Höhe angerechnet werden muss. Damit sinkt auch der Deckel, der durch die Verordnung eines höchst zulässigen Wohnaufwands festgelegt wird.

  • Die Anrechnung der Wohnbeihilfe verhindert mithin einen bedarfsorientierten und adäquaten Umgang mit der marktförmigen Preisentwicklung auf dem Salzburger Wohnungsmarkt.

Mehrpersonenhaushalte

Positiv heben wir an dieser Stelle hervor, dass bei der Bemessung des Wohngrundbetrages von Mehrpersonenhaushalten auch Kinder eingerechnet werden, die sich aktuell in einer Betreuungsmaßnahme aufhalten. Damit können Anforderungen durch (temporären) Besuch oder mehr / minder dauerhafte Änderung der Lebenssituation der Kinder entsprochen werden.

Artikel II – Sonderbedarfe

Sonderbedarf

In § 1 (1) wird die Möglichkeit eingeräumt, Sonderbedarfe in privatrechtlicher Form zu gewähren, ein Rechtsanspruch darauf wird dezidiert ausgeschlossen. Des Weiteren werden folgende einschränkende Bestimmungen ausgeführt:

  • Einen Sonderbedarf können ausschließlich Personen anmelden, die bereits im laufenden Bezug von Hilfen für den Lebensunterhalt sowie für den Wohnbedarf stehen.

    • Eine individuelle Bedarfsprüfung wird mithin Personen ohne SUG-Bezug schlicht verweigert.

  • Ein Sonderbedarf wird gemäß (2) nicht anerkannt, wenn Leistungen Dritter zur Bewältigung eingesetzt werden können

    • In Frage steht, ob zivilgesellschaftliche / caritative Angebote als Leistungen Dritter interpretiert und mit dieser Verordnung reguliert werden sollen.

  • Zusatzleistungen für Sonderbedarfe (§2) werden nur in Form von Sachleistungen gewährt.

    • Das Sachleistungsgebot wird als zwingende Bestimmung formuliert, schließt mithin eine Prüfung der Sinnhaftigkeit von Sachleistungen aus. So kann z.B. auf dem privaten Wohnungsmarkt beobachtet werden, dass der Bezug von Sozialhilfe ein wesentlicher Grund dafür ist, dass kein Mietvertrag geschlossen werden kann. Ein Sachleistungsgebot stellt mithin Wohnversorgung in Frage und erschwert die Bekämpfung / Bewältigung von Wohnungslosigkeit nachhaltig.

Leistungen für die Beschaffung von Wohnraum

Für die Beschaffung von Wohnraum kann eine Kannleistung beantragt werden, unter der Voraussetzung (2), dass das Rechtsgeschäft vor der Gewährung der Leistung noch nicht abgeschlossen wurde.

  • Die Verordnung sieht mithin von den Gepflogenheiten auf dem privaten Wohnungsmarkt gänzlich ab und setzt voraus,

    • dass die Wohnungssuche für die Dauer der Einholung einer Genehmigung durch das Sozialamt unterbrochen werden kann

    • dass potentielle Vermieter*innen also auf die Mitteilung des Sozialamts vertröstet werden können, bevor die Vereinbarung rechtskräftig wird.

    • Hier wäre wohl zu berücksichtigen, dass eine mündliche Vereinbarung gemäß der Aussage „ja, ich möchte diese Wohnung anmieten“ bereits rechtsgültig ist.

    • Darüber hinaus bleibt offen, welche Übersiedlungs-und Provisionskosten als angemessen (§5 Abs 3 / Abs 5) definiert werden.

Im § 5 wird die Übernahme von Nebenkosten geregelt, die bei der Anmietung einer Wohnung entstehen (können). Unter anderem werden in Bezug auf die Übernahme von Kautionskosten / Haftungserklärung in tabellarischer Form Obergrenzen der Mietkosten angeführt, die jedoch erheblich von den Vorgaben des höchst zulässigen Wohnaufwands abweichen. Diese Obergrenze (Miete inkl. Betriebskosten) liegt beispielsweise für einen Einpersonenhaushalt bei 495,00 € (110€ unter dem HWA) und hebt somit die positive Wirkung der Erhöhung des höchstzulässigen Wohnungsaufwandes wieder auf. Durch diese Regelung wird der Zugang zum Wohnungsmarkt durch unrealistische und praxisferne Obergrenzen weiter erschwert.

  • Es steht zu befürchten, dass diese Vorgabe den Usancen privater Vermieter*innen nicht entspricht,

    • davon absieht, dass Vermieter*innen kein Rechtsgeschäft mit dem Sozialamt abschließen wollen

    • und die Annahme einer behördlichen Haftungserklärung verweigern.

Leistungen für die Beibehaltung von Wohnraum

Die Verordnung bekennt sich zum Primat der Prävention von Wohnungslosigkeit und stellt Leistungen zur Abwendung des Verlusts von Wohnungen, z.B. zur Abdeckung von Mietrückständen, bereit.

  • Die Abdeckung von Mietschulden wird jedoch nicht als Rechtsanspruch geregelt, sondern dem Ermessen der Sachbearbeiter*innen anheimgestellt

  • Der verpflichtende Begründungszusammenhang, wonach ansonsten Wohnungs- oder Obdachlosigkeit drohen könnten, erscheint höchst unkonkret.

Artikel III – Lebenslagen

Hilfe in besonderen Lebenslagen sind als privatrechtliche Leistungen geregelt

Die Vorsorgen für lebenslagenbezogene Leistungen aus dem SUG 2020 sind sehr restriktiv formuliert.

  • Aus dem Leistungskatalog wurden einzelne Punkte herausgenommen, beispielsweise Hilfen zur Beibehaltung des Wohnraumes sowie die Hilfen zur Ausstattung des Wohnraumes. Eine gesetzliche Alternative zur nachhaltigen Sicherung des Wohnraumes und zur Prävention von Delogierung fehlt.
  • Für die Gewährung von Hilfe in besonderen Lebenslagen gilt im Vergleich zur BMS ein eingeschränkter Adressat*innenkreis (§4 Abs. 2 SUG).

  • Auf Leistungen zur Hilfe in besonderen Lebenslagen besteht kein Rechtsanspruch.

  • Auf Hilfe in besonderen Lebenslagen besteht kein Anspruch, wenn die Bedarfe durch Leistungen Dritter gedeckt werden (können?).

  • Die Gewährung von Leistungen ist strikt antragsgebunden, d.h. nur möglich, wenn persönlich ein Antrag eingebracht wird.

für das Forum WLH:

Carmen Bayer

Petra Geschwendtner

Gustav Holzner

Peter Linhuber

Heinz Schoibl

Paul Weidinger


[1]     Der Mangel an sozialer Sicherheit beziehungsweise an Chancen, durch finanzielle Leistungen die eigene Situation zu verbessern, zeigt sich insbesondere unter §1 Absatz 3, welcher den HWA bei Pensionszimmern und Wohnungen, die nicht zumindest über ein Zimmer, eine Küche (Kochnische), ein Badezimmer (eine Badenische) und ein Klosett verfügen, um 50% (Einpersonenhaushalte) bzw. 40% bei Haushalten ab zwei Personen vermindert!

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