„Corona könnte auch den Wohnungsmarkt verändern“

Replik vom Forum WLH auf Bericht SN vom 08.04. zur allfälligen Entwicklung des Wohnungsmarktes durch Corona (Autorin: Petra Geschwendtner)

Das Forum Wohnungslosenhilfe (www.forumwlh.at), welches sich als breites und solides Netzwerk in Salzburg in einer mittlerweile über 25jährigen Tradition eine umfassende Expertise im Bereich von Wohnversorgungskrisen angeeignet hat und sich jährlich mit den Präsentationen der Wohnbedarfserhebungen sowie dem Tag der Wohnungsnot zu Trends und Entwicklungen zu Wort meldet, möchte auf die Berichterstattung der SN vom 08.04. Bezug nehmen und aus ihrer Sicht Stellung beziehen.

Entgegen der Annahme, der Wohnungsmarkt bzw. die Mietpreise könnten aufgrund der Corona-Krise in Salzburg unter Druck geraten, ist dies von uns dahingehend richtigzustellen, dass Einkommensverluste in den letzten Jahrzehnten noch nie die Preispolitik am privaten Wohnungsmarkt beeinflusst oder gar mitbestimmt haben. Die Mietpreise galoppieren unaufhörlich den Einkommen bzw. den Reallöhnen der Salzburger Bevölkerung davon, sodass Mieten am privaten Sektor schon seit langer Zeit für einkommensschwache Personen nicht mehr leistbar sind.

Das Angebot hat sich gegenüber der Nachfrage in den letzten rund 10 Jahren noch mehr verknappt. Einerseits haben wir seit der Finanzkrise mit der Finanzialisierung einen noch massiveren Anlegerboom erlebt, der die allgemeine Preisschraube fleißig nach oben dreht, andererseits einen hohen Leerstand zu verzeichnen sowie unzählige private Wohnungen, die durch die Gewinnmaximierung über Vermietplattformen dem regulären Wohnungsmarkt entzogen werden. Hier darf sich abends gerne jeder mal durch Stadtviertel bewegen (Spazieren und Luftschnappen dürfen wir ja), wo man dann viele dunkle Wohnungen entdecken wird können, die gerade jetzt zu Corona-Zeiten bei regulärer Hauptwohnsitznutzung hell erleuchtet sein müssten.[1]

Das Bundesland Salzburg betrachtend war man zudem in den letzten Jahren mit der Zweitwohnsitzvergabe so gar nicht geizig, seit letztem Jahr sind Bemühungen erkennbar, die Knappheit und folglich die Preisentwicklung zu bändigen und einzudämmen.

Für wen sind die Mieten nicht leistbar, von welcher einkommensschwachen Bevölkerung in Salzburg sprechen wir überhaupt?

Neben den vielen individuellen Menschen mit ihren Schicksalen, die uns in unserer Arbeit täglich beschäftigen, versammelt sich hier eine vielfältige, heterogene Bevölkerungsgruppe unter uns:

  • es sind die physisch und psychisch Kranken in unserer Gesellschaft, die sich nur schwer oder gar nicht mehr in die Gruppe der viel zitierten „LeistungbezieherInnen“ einreihen können und deren finanzielle Möglichkeiten durch Transferleistungen (Kranken-/Rehageld, Bedarsorientierte Mindestsicherung) keine privaten Mieten stemmen.
  • Es sind die PensionistInnen, die Ausgleichszulage beziehen müssen, um das Leben bestreiten zu können
  • es sind all jene, die sich unter „working poor“ einreihen, zuvor schon prekär beschäftigt waren (über Leasing, freie Dienstnehmer etc.) und zu Beginn der Corona-Krise auch die ersten waren, die freigesetzt wurden,
  • aber es sind auch all jene, die sich trotz Vollzeitarbeit ebenso keine privaten Mietkosten in adäquaten und bedarfsgerecht großen Wohnungen je nach ihrer Familiengröße leisten können.
  • Es sind die ArbeitnehmerInnen, die plötzlich feststellen, dass sie auf dem Arbeitsmarkt als zu alt gelten und daher auch nicht mehr (an)gefragt sind und nicht mehr in eine Beschäftigung finden.
  • Salzburg bewegt sich großteils im touristischen und im Dienstleistungssektor, auch hier lassen sich zu anderen Wirtschaftssektoren massive Lohnunterschiede ausmachen, z.B. die Handelsangestellten, die Friseurin, die Reinigungskraft, der Pflege- und Sozialbereich etc.
  • Die strukturelle weibliche Einkommensarmut reiht sich hier nahtlos an, Betreuungs- und Versorgungspflichten und darauf zurückführende Teilzeitbeschäftigungen in schlecht bezahlten Branchen (die sich gerade jetzt als außerordentlich wertvoll entpuppen und täglich bedankt und beklatscht werden) bieten heute schon kein entspanntes Leben ohne Sorgen um Mieten, Strom, Schulausflüge etc. Auch in die Zukunft gerichtet zeigt sich uns hier ein tristes und keinesfalls ein individuell abwendbares (so sehr frau sich auch noch zu bemühen versucht) Bild der weiblichen Altersarmut.
  • Ja, und dann gibt´s noch all jene, die um ihr (Über-)Leben kämpfend zu uns geflüchtet sind, seien es jene aus Kriegsgebieten, die sich trotz aller Anstrengungen auf dem privaten Wohnungsmarkt kaum behaupten können, und auch all jene EU-BürgerInnen, die hier trotz ihrer verloren gegangenen Würde um ihr eigenes Überleben und jenes ihrer Familien kämpfen.
  • Es sind jedenfalls Menschen wie du und ich, die feststellen, dass sich Lebenspläne doch anders entwickeln, folglich Trennungen vollziehen und plötzlich 2 Wohnungen benötigen.
  • Es sind jene und derer gar nicht so wenige, die wenig Widerstandskraft/Resilienzfähigkeit entwickelt haben als andere, mit krisenhaften Geschehen (Trennungen, Arbeitplatzverlust, Todesfall) in ihrem Leben schlechter umgehen können und daher auch schwerer und oftmals nur mit Unterstützung wieder Fuß fassen können.
  • Ach ja, beinah vergessen, all die jungen Erwachsenen, die sich mit ihren Einstiegsgehältern verständlicherweise von zu Hause ablösen möchten; hier führt die Suche nach einer 2-Zimmer-Wohnung am privaten Markt sehr schnell zur Frustration und entpuppt sich als Utopie

Conclusio – wir alle sind das bzw. können es jederzeit sein!

Dieser heterogenen Bevölkerungsgruppe ist jedenfalls eines gemein – der Zugang zum privaten Wohnungsmarkt mit den hohen Mietpreisen ist allen verwehrt aufgrund ihrer ökonomischen Situation.

Und bei all diesen vorgenannten Menschen handelt es sich auch nicht um jene, die ihre Wohnungen um die Raumgrößen eines home office erweitern wollen, sondern dass sie das ihnen leistbar Mögliche (viele hocken in Kleinstwohnungen) und Angebotene als Schutz- und Rückzugsort gerne annehmen. Auf diesem Markt führt man keine Diskussionen mehr über quantitative Qualitätsstandards – egal wo, egal wie, Hauptsache 4 Wände! 

Nach der Corona-Krise ist anzunehmen, dass sich Arbeitslosigkeit und Einkommensverluste nicht mit jener Rasanz zurückgehen werden, mit der sie eingetreten sind und sich vermutlich länger halten werden. Das bedeutet, dass Wohnen für eine größere Anzahl von Menschen noch unerschwinglicher werden wird. Kapitalanleger werden sich mangels höherer Zinsen sicherlich weiterhin am Immobilienmarkt tummeln und ihr „Kapital platzieren“ wollen. Es ist folglich auch nicht anzunehmen, dass dieser Markt ohne politische Einmischung den Einkommenslagen gerecht werden oder gar Corona dies richten wird.  

Jedenfalls sollte sich nach der Krise jeder und jede um die Bedeutung von Wohnen bewusst sein. Umso energischer wollen wir für ein „Wohnen für alle“ (siehe HP) eintreten, für einen Masterplan unter Einbindung aller relevanten AkteurInnen zur Bekämpfung und Verhinderung von Wohn- und Obdachlosigkeit (im Besonderen nach der Krise) und für ein Grundrecht auf Wohnen sowie soziale Absicherung.


[1] müssen die Stadtsalzburger beurteilen

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