Recht auf Wohnen, nicht auf Gold

Autor*innen: Melanie Fritzer, Petra Geschwendtner, Peter Linhuber

Dieser Artikel erschien ursprünglich im Salzburger Menschenrechts-Bericht 2022 (https://www.menschenrechte-salzburg.at/wp-content/uploads/2022/12/2022_12_07_MR-Bericht_online.pdf)

Die Wohnbedarfserhebung für das Bundesland Salzburg wird jeweils im Oktober durchgeführt, dementsprechend stammen die aktuellsten Zahlen von 2021. Gegenüber 2020 sind die Zahlen geringfügig gesunken. 2020 wurden 1142 Personen in Wohnungsnot registriert, 2021 1129. Gerade die Anzahl der Österreicher*innen, die von Wohnungslosigkeit bzw. Wohnungsnot betroffen sind, ist rückläufig, sie sank von 595 Personen im Jahr 2020 auf 466 Menschen.[1]

Dieser an sich positiven Entwicklung steht gegenüber, dass mehr minderjährige Personen als im Vorjahr erfasst wurden. 2020 lag der Anteil an Personen unter 18 bei 17,8% (203 Personen), 2021 bei 25% (277 Personen). Ein Viertel der von Wohnungsnot betroffenen Menschen ist inzwischen minderjährig und überwiegend in ungenügenden und ungesicherten Wohnverhältnissen aufhältig. 2020 wurde eine obdachlose minderjährige Person erfasst, 2021 nun 15 Personen – 11 in Notunterkünften, vier akut obdachlos. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, da sich Wohnungsnot langfristig auf die weiteren Chancen im Leben niederschlägt.[2]

In der Erhebung wird die Gesundheit der Personen nicht abgefragt, zu ihrer körperlichen und geistigen Verfassung liegen also keine Daten vor. Aus der Praxis wird allerdings berichtet, dass die Anzahl pflegebedürftiger wohnungsloser Menschen zunimmt. Gerade angesichts mangelnden Personals in der Pflege stellt diese Gruppe von Menschen eine besondere Herausforderung dar. Hier gilt es dringend bedarfsadäquate Angebote zu schaffen bzw. auszubauen. Die derzeitigen Angebote sind mit ihren langen Wartelisten leider nicht ausreichend.

Allgemein sind die gesunkenen Zahlen insofern kritisch zu hinterfragen, als dass mit September 2021 eine weitere Corona-Welle über Salzburg hereinbrach. Es kann vermutet werden, dass dadurch private Netzwerke intensiver genutzt wurden und Personen daher nicht in der Erhebung erfasst wurden – man spricht von versteckter Wohnungslosigkeit. Auch Kontaktreduktionen konnten dazu führen, dass die Personen nicht durch Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe registriert werden konnten. Schließlich führten Krankenstände und allgemein hohe Belastung der Einrichtungen auch zu reduzierten Datensätzen gegenüber dem Vorjahr.

Die Wohnkosten in Salzburg bleiben weiterhin hoch. Laut Marktbericht Team Rauscher Immobilien gingen die Preise für Immobilien in der Stadt Salzburg 2021 weiterhin steil nach oben;[3] laut Mietspiegel von wohnungsboerse.net sind die durchschnittlichen Mietpreise marginal gesunken, bewegen sich mit 14,64€ pro m² aber immer noch auf sehr hohem Niveau.[4] Wohnungen dienen in Salzburg weiterhin als Anlage- bzw. Spekulationsobjekt und werden vereinzelt auch aktiv als solche beworben. Wohnen wird als Ware oder als Finanzprodukt gesehen und ist Gold wert,[5] der Mensch zählt auf diesem Markt nicht. Aus Sicht der Wohnungslosenhilfe muss hier in Anlehnung an Leilani Farha[6] darauf verwiesen werden, dass nicht Gold ein Menschenrecht ist, sondern Wohnen. Der Vorstellung, dass der Markt sich selbst reguliert und zu optimaler Verteilung notwendiger Güter führt, muss also zumindest im Falle des Salzburger Wohnungsmarktes entschieden widersprochen werden.

Die hohen Wohnpreise stellen somit für Salzburger*innen weiterhin eine große Belastung des Haushaltseinkommens dar. Selbst bei der oberen Hälfte der Haushaltseinkommen beträgt die Wohnkostenbelastung mit bis zu 31% fast ein Drittel des Haushaltseinkommens. Beim zweiten Quartil, der „unteren Mittelschicht“ 31-44%, beim ersten Quartil, dem „untersten Viertel“ 44-65%. Die ärmsten 10% der Salzburger*innen müssen über 65% ihres Haushaltseinkommens alleine für das Wohnen aufwenden.[7]

Die aktuelle Inflation bzw. die derzeitigen Teuerungen sind daher für die Bewohner*innen Salzburgs eine besondere Herausforderung. Sozialeinrichtungen berichten von vermehrtem Andrang bei Essenausgaben, rechnen mit einer steigenden Anzahl von Unterstützungsanfragen und befürchten, dass in naher Zukunft mehr Personen von Armut gefährdet bzw. betroffen sein werden. Die Möglichkeiten der Unterstützung sind dabei begrenzt. Die Unterstützungen und die Zugangsbedingungen müssen entsprechend angepasst werden, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen und betroffene Personen nachhaltig zu unterstützen.

Was die Teuerung für den Wohnungsmarkt bedeuten kann, lässt sich an einem konkreten Beispiel festmachen. Innerhalb eines Monats stieg die Warmmiete einer Wohnung aufgrund von Mietanpassungen sowie Betriebs- und Heizkostenanpassung von 460€ auf 566€. Die Wohnkosten sind für diese Wohnung also innerhalb eines Monats um 23% gestiegen; steigende Stromkosten und weitere Anpassungen stellen Mieter*innen vor noch wachsende Belastungen.

Positiv hervorzuheben sind vor diesem Hintergrund bereits getroffene Maßnahmen. Im Sozialunterstützungsgesetz werden in Zukunft Sonderzahlungen nicht mehr angerechnet, d.h. diese bleiben den Bezieher*innen des entsprechenden Einkommens. Auch zählt für pflegende Angehörige das Pflegegeld nicht mehr als Einkommen. Ebenso positiv ist die Anhebung der Kinderrichtsätze sowie des sogenannten Höchstzulässigen Wohnaufwands. Die Erhöhung des Heizkostenzuschusses, die Aufstockung der Landeshilfe sowie die Anhebung der Wohnbeihilfe um 25% – die nach Beschwerden nun automatisch erfolgen soll – sind ebenso vielversprechende Maßnahmen.

Erfreulich sind ebenso der Ausbau und die Stärkung von Angeboten. Über den Wohnschirm werden österreichweit 24 Millionen € zusätzlicher Mittel für die Wohnungssicherung zur Verfügung gestellt, eine Verlängerung und Aufstockung ist angedacht. Neue Angebote in der Salzburger Soziallandschaft umfassen Onlineberatung, Frauenwohnen sowie Streetwork. Ein hochschwelliger städtischer Kautionsfonds wurde mit 2022 installiert, dennoch stellt die Akquise der notwendigen Kautionsmittel in der Praxis weiterhin eine Herausforderung für den Sozialsektor dar. Hier wird auch wieder auf die Problematik eines Marktes verwiesen, der immer neue Höchstpreise zu produzieren scheint. Aufgrund der steigenden Preise ist es auch trotz des angepassten höchstzulässigen Wohnaufwand immer schwieriger, vom Sozialamt eine Kautionsübernahme bewilligt zu bekommen. Entsprechend ist es für Privatpersonen sehr schwierig, sich Wohnraum anzumieten.

Wichtig ist, dass Maßnahmen langfristig und strukturell wirken – gerade bei einmaligen Zuwendungen stellt sich die Frage, inwiefern dies gewährleistet werden kann. Ohne den Wert von Einmalzahlungen schmälern zu wollen – teilweise kann sogar der Erhalt der Wohnung damit gesichert werden -, muss massiven und fortdauernden Teuerungswellen sowie den allgemein hohen Wohnkosten in Salzburg auf struktureller Ebene begegnet werden.

Wie in den Jahren zuvor lautet daher die Forderung, dass wir Zugang zu Wohnraum brauchen für alle Menschen und in allen Lebenslagen – leistbar, dauerhaft und inklusiv. Weiterhin wird für Salzburg / für Österreich ein Recht auf Wohnen gefordert; gerade in Zeiten der Energiekrise muss auch ein Recht auf Strom und Energie vorangetrieben werden, um den Wohnraum adäquat nutzen zu können sowie Energiearmut vorzubeugen. Gold ist kein Menschenrecht. Wohnen sehr wohl.


[1] Vgl. Holzner, Gustav / Linhuber, Peter / Schoibl, Heinz: Wohnbedarfserhebung 2021 für das Bundesland Salzburg. Salzburg, 2022, S. 17 und S. 24 sowie Holzner, Gustav / Linhuber, Peter / Schoibl, Heinz: Wohnbedarfserhebung 2020 für das Bundesland Salzburg. Salzburg, 2021, S. 17 und S. 25.

[2] Vgl. Holzner, Gustav / Linhuber, Peter / Schoibl, Heinz: Wohnbedarfserhebung 2021 für das Bundesland Salzburg. Salzburg, 2022, S. 17, 21 sowie 39; Holzner, Gustav / Linhuber, Peter / Schoibl, Heinz: Wohnbedarfserhebung 2020 für das Bundesland Salzburg. Salzburg, 2021, S. 17, 21 sowie 36.

[3] Team Rauscher, Wohnmarktbericht 2022, S. 7.

[4] Vgl. https://www.wohnungsboerse.net/mietspiegel-Salzburg/16699, eingesehen am 09.09.2022.

[5] Vgl. https://www.derstandard.at/story/2000136566994/leerstand-betongold-und-festspielabsteigen-verschaerfen-salzburgs-wohnungsnot, eingesehen am 9.09.2022.

[6] Leilani Farha war bis 2020 UN-Sonderberichterstatterin für das Recht auf Wohnen. Sie ist Initiatorin und Direktorin der globalen Bewegung Right2 Housing: https://make-the-shift.org/the-shift/

[7] Vgl. Lüftenegger, Patrick / Straßl, Inge / Gugg, Bernhard: Analyse der Leistbarkeit von Wohnraum in der Stadt Salzbzurg. Salzburg, 2021, S.104.

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